Experimentelle 2D-Pilotlinie geht an den Start

Die Lücke zwischen der Fertigung im Labormaßstab und der Großserienproduktion von elektronischen Bauelementen auf der Basis zweidimensionaler Materialien zu schließen – das ist die Aufgabe der 2D Experimental Pilot Line (2D-EPL), ein von der Europäischen Kommission finanziertes Projekt, das am 8. Oktober 2020 startet.

Im Jahr 2019 lud die Europäische Kommission das Graphen-Flaggschiff ein, einen Plan für eine experimentelle Pilotlinie für Graphen-basierte Elektronik, Optoelektronik und Sensoren aufzustellen – eine erste experimentelle Produktionsanlage ihrer Art, in der europäische Unternehmen, Forschungszentren und akademische Institutionen neuartige Bauelemente auf der Basis von zweidimensionalen (2D) Materialien im Pilotmaßstab herstellen können.

Wafer mit integrierten 2D-Materialien.

Wafer mit integrierten 2D-Materialien. Bild: imec

Ziel dieses ehrgeizigen Vorhabens ist es, zu demonstrieren, wie man Bauelemente auf der Basis von 2D-Materialien in einer für Marktanwendungen interessanten Art und Weise herstellen und skalieren kann. Dies ist ein entscheidender Schritt, bevor Graphen-Technologien auf die Herstellung im Grossmassstab übertragen werden können, und in gewissem Sinne der ultimative Test für Graphen, um seine Versprechen als „Wundermaterial“ für elektronische Anwendungen einzulösen.
Das Graphen-Flaggschiff hat ein Konsortium vorgeschlagen, das sich aus den wichtigsten europäischen Akteuren zusammensetzt, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, einschließlich Werkzeugherstellern, Chemikalien- und Materialanbietern und Halbleiterfertigungslinien: Aixtron Ltd. und Oxford Instruments (Vereinigtes Königreich), imec (Belgien), AMO GmbH, iHP GmbH, Micro Resist Technology GmbH, Aixtron SA und Suss Microtech (Deutschland), Graphenea (Spanien) und VTT (Finnland). Das Projekt, das den Namen 2D Experimental Pilot Line trägt, wird am 8. Oktober 2020 sein Online-Kick-off-Meeting abhalten.
„Zweidimensionale Materialien haben einzigartige Eigenschaften für elektronische und photonische Bauelemente sowie für Sensoren“, sagt Cedric Huyghebaert, Programmmanager für die Integration von Versuchsmaterialien und -modulen bei imec und technischer Leiter des 2D-EPL-Projekts. „Es gibt inzwischen zahlreiche Publikationen, die Prototypen von Bauelementen auf der Basis von 2D-Materialien zeigen, deren Leistungen deutlich über dem Stand der Technik liegen. Aber um diese Bauelemente auf den Markt zu bringen, müssen wir Werkzeugsätze und Designhandbücher für ihre Herstellung entwickeln, die mit den Standards der Halbleiterindustrie kompatibel sind.
Die Pilotlinie wird es ermöglichen, neue Bauelemente für elektronische, photonische und Sensoranwendungen in einer für die Fertigung repräsentativen Umgebung zu prototypisieren. Der Zeitplan ist ehrgeizig: In zwei Jahren muss ein Grundlinienprozess etabliert sein. Die experimentellen Arbeitsabläufe und Protokolle der Pilotlinie sollten bis 2024 voll funktionsfähig sein. Der Prozessablauf wird in hochmodernen Reinraumumgebungen in ganz Europa bei AMO und iHP (Deutschland), imec (Belgien) und VTT (Finnland) validiert werden.
Um den Aufbau eines europäischen Ökosystems für 2D-Materialien zu unterstützen, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, wird das 2D-EPL der gesamten F&E-Gemeinschaft offen stehen, die auf dem Gebiet der 2D-Materialien tätig ist, wobei ein Kostenteilungsmodell zwischen Anwendern und Dienstleistern genutzt wird. Ziel ist es, ein nachhaltiger On-Demand-Dienst für Forschungs- und Innovationsakteure in Europa und im Ausland zu werden, der in den Rahmen von EUROPRACTICE integriert ist.
Das 2D-EPL-Projekt stützt sich auf das Fachwissen des Graphene-Flaggschiff-Teams an der Technischen Universität Chalmers (Schweden) für die administrative, geschäftliche Entwicklung und Unterstützung bei der Verbreitung. Das technische und wissenschaftliche Management wird von imec (Belgien) geleitet und von einer technischen Lenkungsgruppe unterstützt, die sich aus Hauptforschern der Integrationsstandorte der Pilotlinie zusammensetzt. Darüber hinaus wird das Projekt von einem industriellen Beirat geleitet, der sich aus Hauptakteuren der europäischen Halbleiterindustrie, wie AMS, Infineon und Emberion, zusammensetzt. Das Gremium wird über den Fortschritt und die im Rahmen des 2D-EPL-Projekts entwickelten Lösungen auf dem Laufenden gehalten und wird auch Rückmeldungen zu den Anforderungen und Spezifikationen der Industrie, Marktanalysen und frühen Möglichkeiten für das Projekt geben.
Die Pilotlinie baut auf den bestehenden Aktivitäten ihrer Partner im Graphene-Flaggschiff auf und ist eng mit dem Graphene-Core-3-Projekt verzahnt. Ihre Aktivitäten ergänzen jedoch die in anderen Teilen des Flaggschiffs entwickelten Aktivitäten und beziehen auch neue Akteure ein. Der Schwerpunkt und die Organisation des neuen 2D-EPL-Projekts unterscheiden sich von dem des Flaggschiffs und sind eng mit anderen bestehenden europäischen Pilotlinien verbunden.
“Wir freuen uns darauf, Teil der 2D-EPL zu sein”, sagt Prof. Max Lemme, Direktor von AMO und Professor an der RWTH Aachen. “Ich glaube fest daran, dass 2D-Materialien in der Mikroelektronik einen Weg für Europa berieten können, Anteile in diesem immer wichtiger werdenden High-Tech-Sektor zurückzugewinnen.Dazu erhielt die RWTH Aachen eine Förderung des BMBF in Höhe von 9 Millionen Euro für die Einrichtung eines neuen Labors für  Forschung auf dem Gebiet der 2D-Mikroelektronik mit dem Namen 2D-ForMe (2D-Materialien für die Mikroelektronik). Zusammen mit der 2D-EPL und lokalen Unternehmen wie Aixtron spielen Aachen und das Rheinische Revier also eine wichtige Rolle bei der Erschließung des technologischen Potenzials von 2D-Materialien”.
Das 2D-EPL-Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union im Rahmen der Zuschussvereinbarung Nr. 952792 finanziert.