Ein skalierbares Verfahren für die großflächige Integration von 2D-Materialien

Zweidimensionale (2D-)Materialien haben ein enormes Potenzial, Bauelemente mit deutlich geringerer Größe und erweiterten Funktionalitäten im Vergleich zu den heutigen Siliziumtechnologien zu ermöglichen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssen wir jedoch in der Lage sein, 2D-Materialien in Halbleiterfertigungslinien zu integrieren – ein notorisch schwieriger Schritt. Ein Team von Forschern aus Schweden und Deutschland berichtet nun über eine neue Methode, mit der dies gelingen kann. Die Methode wurde  in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Bildquelle: A. Quellmalz (KTH).

Die Integration von 2D-Materialien mit Silizium oder mit Substraten mit integrierter Elektronik stellt eine Reihe von Herausforderungen dar. „Es gibt immer diesen kritischen Schritt das 2D-Material von einem speziellen Wachstumssubstrat zum endgültigen Substrat, auf dem man Sensoren oder Komponenten aufbaut, zu übertragen“, sagt Arne Quellmalz, Forscher für photonische Mikrosysteme an der KTH und Erstautor der Arbeit. „Man möchte vielleicht einen Graphen-Photodetektor für optische On-Chip-Kommunikation mit einer Silizium-Ausleseelektronik kombinieren, aber die Wachstumstemperaturen dieser Materialien sind zu hoch, so dass man dies nicht direkt auf dem Bauelement-Substrat wachsen kann.“

Bisher sind die meisten experimentellen Methoden, um 2D-Materialien von ihrem Wachstumssubstrat auf die gewünschte Elektronik zu übertragen, entweder nicht kompatibel mit der Großserienfertigung oder sie führen zu einer erheblichen Verschlechterung des 2D-Materials und seiner elektronischen Eigenschaften. Das Schöne an der von Quellmalz und Mitarbeitern vorgeschlagenen Lösung ist, dass sie auf bestehende Werkzeuge der Halbleiterfertigung zurückgreift: die Verwendung eines Standard-Dielektrikums namens Bisbenzocyclobuten (BCB), zusammen mit konventionellen Wafer-Bonding-Geräten.

„Im Grunde kleben wir die beiden Wafer mit einem Harz aus BCB zusammen“, erklärt Quellmalz. „Wir erhitzen das Harz, bis es zähflüssig wird, wie Honig, und drücken das 2D-Material dagegen.“ Bei Raumtemperatur werde das Harz fest und bildet eine stabile Verbindung zwischen dem 2D-Material und dem Wafer, sagt er. „Um Materialien zu stapeln, wiederholen wir die Schritte des Erhitzens und Pressens. Das Harz wird wieder zähflüssig und verhält sich wie ein Kissen, oder ein Wasserbett, das den Schichtstapel stützt und sich an die Oberfläche des neuen 2D-Materials anpasst.“
Die Forscher demonstrierten den Transfer von Graphen und Molybdändisulfid (MoS2), als Vertreter der Übergangsmetall-Dichalkogenide, und stapelten Graphen mit hexagonalem Bornitrid (hBN) und MoS2 zu Heterostrukturen. Alle übertragenen Schichten und Heterostrukturen waren den Angaben zufolge von hoher Qualität, das heißt, sie wiesen eine gleichmäßige Bedeckung über bis zu 100 Millimeter große Silizium-Wafer auf und zeigten nur geringe Spannung in den übertragenen 2D-Materialien.

„Unsere Transfermethode ist im Prinzip auf jedes 2D-Material anwendbar, unabhängig von der Größe und der Art des Wachstumssubstrats“, sagt Prof. Max Lemme von der AMO GmbH und der RWTH Aachen. „Und da sie nur auf Werkzeuge und Methoden zurückgreift, die in der Halbleiterindustrie bereits üblich sind, könnte sie das Erscheinen einer neuen Generation von Bauelementen auf dem Markt erheblich beschleunigen, bei denen 2D-Materialien auf konventionellen integrierten Schaltkreisen oder Mikrosystemen integriert werden. Diese Arbeit ist ein wichtiger Schritt in Richtung dieses Ziels, obwohl noch viele weitere Herausforderungen zu bewältigen sind. Die Bandbreite der möglichen Anwendungen ist riesig: von der Photonik über die Sensorik bis hin zum neuromorphen Computing. Die Integration von 2D-Materialien könnte ein echter Game-Changer für die europäische High-Tech-Industrie sein.“

„Dieser Beitrag ist ein gutes Beispiel für die Arbeit, die derzeit von der 2D Experimental Pilot Line (2D-EPL) des Graphen-Flaggschiffs durchgeführt wird“, sagt Cedric Huyghebaert, Programmmanager für explorative Materialien und Modulintegration am imec und technischer Leiter des 2D-EPL-Projekts. Dabei handelt es sich um ein 20-Millionen-Euro-Projekt, das im Oktober 2020 von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde, um die Lücke zwischen der Fertigung im Labormaßstab und der Großserienproduktion von elektronischen Bauelementen auf Basis von zweidimensionalen Materialien zu schließen. „Eine unserer vordringlichsten Aufgaben ist derzeit die Entwicklung von Werkzeugsätzen und Design-Handbüchern für die Herstellung von Bauelementen auf Basis von 2D-Materialien, die mit den Standards der Halbleiterindustrie kompatibel sind“, sagt Huyghebaert. „Der nächste Schritt wird sein, das Potenzial dieser Prozesse für die Herstellung innovativer Sensoren und optoelektronischer Bauelemente in einer Pilotlinie zu demonstrieren.“

Bibliografische Angaben:
“Large-area integration of two-dimensional materials and their heterostructures by wafer bonding”, A. Quellmalz, X. Wang, S. Sawallich, B. Uzlu, M. Otto, S. Wagner, Z. Wang, M. Prechtl, O. Hartwig, S. Luo, G. S. Duesberg, M. C. Lemme, K. B. Gylfason, N. Roxhed, G. Stemme, and F. Niklaus, Nature Communications 12, 917 (2021).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-21136-0