Reversible Phasenübergänge in Cerdioxid mit Pikometerauflösung induzieren und beobachten
Cerdioxid ist ein Material mit großem Potenzial für katalytische Anwendungen, Energieerzeugung und memristive Bauelemente. Mit Hilfe modernster Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) haben Forscher der RWTH Aachen, des Forschungszentrums Jülich und der AMO GmbH den reversiblen Phasenübergang von Cerdioxid in bisher unerreichter Detailschärfe aufgedeckt und gezeigt, dass es durch externe Stimuli wie Elektronenstrahlen präzise manipuliert werden kann.
Ceroxid (CeO₂) ist aufgrund seiner hervorragenden Redoxeigenschaften, Sauerstoffspeicherkapazität und Sauerstoffionenleitfähigkeit eines der vielversprechendsten Materialien für Katalyse, Festelektrolyte und Memristortechnologien. Viele dieser Eigenschaften hängen davon ab, wie Sauerstoffleerstellen durch externe Stimuli entstehen und migrieren, was häufig mit Änderungen der Ceroxidstruktur und nachfolgenden Phasenübergängen verbunden ist. Die Details dieser Phasenübergänge auf atomarer Ebene, die für das Verständnis und die Optimierung der Leistungsfähigkeit des Materials entscheidend sind, waren bisher jedoch nicht zugänglich.
Ke Ran und ihre Kollegen am Forschungszentrum Jülich und an der RWTH Aachen stellten sich dieser Herausforderung, indem sie eine Kombination fortschrittlicher TEM-Techniken einsetzten, um Phasenübergänge mit einer Auflösung im Sub-Ångström-Bereich zu induzieren und zu visualisieren. Als Modellsystem wählten sie Gadolinium (Gd)-dotiertes Cerdioxid (GDC), ein Cerdioxid-basiertes Oxid, das als Elektrolytmaterial in Festoxid-Brennstoffzellen verwendet wird. Der innovative Ansatz ermöglicht die gleichzeitige Visualisierung sowohl der leichten Sauerstoffatome als auch der schweren Metallatome und erleichtert die Messung der Atompositionen mit höchster Präzision. Gleichzeitig konnten mit dem Elektronenstrahl auch die Bildung von Sauerstoffleerstellen und der Phasenübergang im Material untersucht werden. Der beobachtete Phasenübergang scheint mit einer kollektiven Umordnung von Sauerstoffleerstellen zusammenzuhängen, die mit einer durch den Elektronenstrahl induzierten Änderung der Wertigkeit von Ce einhergeht.
„Wir haben herausgefunden, dass wir den Phasenübergang von Gd-dotiertem Ceroxid steuern können, indem wir die Dosisleistung der Elektronen während der TEM-Bildgebung anpassen“, erklärt Ran. “Wir können den Übergang beschleunigen, verzögern, stoppen oder sogar umkehren, was aufregende Möglichkeiten eröffnet, Ceroxid-basierte Materialien an spezifische Anforderungen in Energie- und Elektronikanwendungen anzupassen.“
Die Ergebnisse haben weitreichende Auswirkungen auf eine Vielzahl von Technologien. Beispielsweise könnte es bei Energieanwendungen möglich sein, die Temperatur, die für die Auslösung der Redoxreaktion von Cerdioxid erforderlich ist, deutlich zu senken und damit die Effizienz von Katalysatoren und Festelektrolyten auf Cerdioxidbasis zu verbessern. In der Nanoelektronik könnte diese präzise Kontrolle der Phasenübergänge zu verbesserten Memristoren mit einstellbarem Ein-/Aus-Verhältnis und höherer Speicherdichte führen. „Durch die Kontrolle der Sauerstoffleerstellenkonzentration können wir Materialien mit hochgradig maßgeschneiderten Eigenschaften entwickeln, die den wachsenden Bedarf an sauberer Energie und fortschrittlicher Elektronik decken“, sagt Ran.
Die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
Bibliografische Angaben
in situ observation of reversible phase transitions in Gd-doped ceria driven by electron beam irradiation
Ke Ran, Fanlin Zeng, Lei Jin, Stefan Baumann, Wilhelm A. Meulenberg & Joachim Mayer
Nature Communications 15, 8156 (2024)
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-52386-3